Chemiemülldeponie Gamsenried der Lonza AG: Mängel bei der Planung der Dichtwand
08. April 2025
Wir erachten es als dringend, den Ausfluss von stark kontaminiertem Wasser aus der Deponie zu begrenzen. Unsere Expert:innen kommen aber zum Schluss, dass das Dichtwand-Projekt der Lonza
kritische Themenbereiche zu wenig beachtet. Zudem weisen die Lonza-Berichte aus unserer Sicht teils Qualitätsmängel auf. Diese haben wir der Lonza am 10. Februar 2025 mitgeteilt.
Wie dicht ist die Dichtwand wirklich?
So ist nicht sicher, dass die Wand genügend dichtet. Denn Lonza will sie auf die sogenannten limnischen Schichten setzten. Diese Schicht verhindert den Austausch von Grundwasser zwischen dem oberen und unteren Grundwasserträger. Das Problem: Diese Schichten sind unter der Dichtwand nicht überall vorhanden. Deshalb fordern AefU, OGUV, WWF und Pro Natura von Lonza schon jetzt einen Plan B, falls die Dichtwand nicht wie erwartet funktioniert. Dies, damit es nicht zu Verzögerungen bei der dringenden Sanierung der Deponie kommt, die aus unserer Sicht innerhalb der nächsten rund 15 Jahre abgeschlossen sein sollte.
Schadstoffvielfalt und leichtflüchtige Substanzen zu wenig beachtet
Zudem berücksichtigt Lonza die enorme Schadstoffvielfalt in der Deponie zu wenig. Auch die möglicherweise vorhandenen, leichtflüchtigen Substanzen (VOC) nimmt der Pharmakonzern zu wenig ernst. «Bei den Grab- und Bauarbeiten besteht deshalb das Risiko, dass sie unkontrolliert die Umgebungsluft verschmutzen (Stripping). Hier muss nachgebessert werden», betont Sonja Oesch von der OGUV.
Heikle Lonza-Produktion vergessen
Im historischen Bericht zur Deponie Gamsenried fehlt zudem die Ditolid-Produktion. Dabei hat Lonza von diesem Produkt z. B. 1966 mindestens 70‘000 Kilogramm hergestellt. Dazu verwendete sie die Substanz o-Tolidin, wie aus Lonza-internen Unterlagen hervorgeht. Diese Substanz aber hat Lonza bei der Deponie Gamsenried – soweit uns bekannt – nie gesucht. Wie heikel die Substanz ist, zeigt der vorläufige Grenzwert (Konzentrationswert) für o-Tolidin: Er beträgt nur gerade 16 Nanogramm pro Liter (ng/l) Grundwasser, wie aus einer Liste des Amtes für Umwelt und Energie Basel-Land (AUE BL) vom Januar 2025 hervorgeht. «Auch hier besteht Nachholbedarf», hält Ralph Manz, Regionaler Geschäftsleiter Pro Natura Oberwallis fest.
Weitere gefährliche Substanzen übergangen
Noch gefährlicher, so zeigt diese Liste, ist 2,2‘-Benzidin: Der vorläufige Grenzwert für diese Substanz liegt in der Grössenordnung von 0.75 ng/l. Zwar hat Lonza 2,2‘-Benzidin schon 2008 und letztmals 2021 im Grundwasser unterhalb der Deponie deutlich über diesem Grenzwert nachgewiesen – aber für ihr Dichtwandprojekt nicht beachtet. Dasselbe mit den Abbauprodukten von Benzidin1. Zwar haben wir der Lonza schon im Februar 2024 eine entsprechende Zusammenstellung übergeben und um die Herleitung von Grenzwerten gemäss Altlastenverordnung gebeten. Trotzdem hat sie Lonza nicht weiter beachtet. So z. B. das Abbauprodukt 4-Amino-4'-hydroxybiphenyl: Der Grenzwert liegt gemäss vorläufiger Liste des AUE BL zwischen 8.5 bis 10 ng/l. Diese Werte wurden im Altlastenrechtlich relevanten Abstrom der Deponie 32 bis 37-Mal überschritten, wie Messungen aus dem Jahr 2018 zeigen. Trotzdem hat Lonza bei ihrem Bauprojekt auch diese Substanz nicht beachtet. «Dabei sind diese gefährlichen Substanzen während den Bauarbeiten für die Dichtwand beim Arbeitsschutz, dem Schutz von Luft und Gewässern und bei der Entsorgung des Aushubmaterials relevant», sagt Martin Forter, Geschäftsleiter AefU und Altlastenexperte.
Verzicht auf Einsprache
Im Austausch mit Lonza nehmen wir zudem eine gewisse Offenheit unserer Kritik gegenüber wahr. Trotz der aus unserer Sicht erheblichen Versäumnisse der Lonza verzichten wir deshalb auf eine Einsprache gegen das Dichtwandprojekt. Wir werden aber die weitere Planung und den Bau der Dichtwand kritisch begleiten. Dabei werden wir insbesondre darauf achten, ob Lonza unsere Kritik aufnimmt und das Projekt entsprechend anpasst. Falls nicht, werden wir bei späteren Bauvorhaben voraussichtlich den Rechtsweg beschreiten müssen.
AefU, OGUV, Pro Natura und WWF fordern zudem
- Umfassende Detailberichte zum Umgang mit dem Aushubmaterial, insbesondere zur Behandlung des verschmutzten Abwassers
- Ein detailliertes Konzept zur Luftreinhaltung, insbesondere um die Luftverschmutzung durch krebserregende Substanzen zu verhindern
- Die systematische Suche nach o-Tolidin, 2,2‘-Benzidin sowie den Abbauprodukten von Benzidin.
- Ein Konzept für die Störfallvorsorge, um Mensch und Umwelt während der Bauphase zu schützen.
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